Die Reata – wie aus einem widerspenstigen Geflecht ein geschmeidiges Wurfseil wird!
Eine neue, aus Rohhaut geflochtene Reata ist ohne entsprechende Vorbereitung für den Arbeitseinsatz als Rope unbrauchbar. Unbehandelt ist sie steif, rau und verhält sich nahezu wie eine vorgespannte Spiralfeder. Doch was steckt hinter der Reata und was ist zu tun, um aus einem (noch) widerspenstigen Ledergeflecht das geschmeidige Wurfseil eines Vaqueros zu machen?
Text: Rolf Schönswetter / Fotos: Gerhard Bauer-Schmitz
Wer sich in der Pferdewelt für die Arbeit der Vaqueros und altkalifornischen Traditionen begeistert, wird über kurz oder lang auch dem Begriff „Reata“ begegnen. Damit ist ein aus Rohhaut geflochtenes Lederseil gemeint, das seinen Ursprung wohl im spanisch besetzten Mexiko fand. Denn nach der Eroberung des Landes durch Hernando Cortez und seinen spanischen Konquistadoren im 16. Jahrhundert hielt dort auch die Leder- und Rohhautbearbeitung der spanischen Einwanderer Einzug – eine Handwerkskunst, die in den folgenden Jahren unter südamerikanischem Einfluss noch weiterentwickelt und verfeinert werden sollte. Es heißt allerdings, dass damals die mexikanische Reata noch aus den Fasern der Sisal- oder Agavepflanzen hergestellt wurde, die man zu widerstandsfähigen Seilen zusammendrehte.
Die Geschichte der Besiedelung Kaliforniens begann erst zweihundert Jahre später. Leider ist aus dieser Zeit nur wenig überliefert. Berichte über das Leben der Vaqueros gibt es nur wenige, denn Lesen und Schreiben war nicht die Stärke der alten Californios. Drum ist es auch schwierig zu belegen, ob die Rohhaut-Reata ihren Ursprung in Mexiko oder Kalifornien hat. Es gibt allerdings die These, die traditionellen Wurfseile seien erstmals in Kalifornien aus Rohhäuten geflochten worden. Die Begründung: dort gab es keine Sisal- und Agavepflanzen, dafür aber Rohleder zuhauf. Nun, wer weiß das schon wirklich genau? Wissen wurde fast nur mündlich weitergegeben und weil das Land weit, die Entfernungen groß und die Bevölkerungsdichte gering war, verliefen sich viele Geschichten der Vaqueros über die Zeit im Sande.
Lasso, Lariat oder Rope
Für Wurfseile gibt es verschiedene Bezeichnungen wie beispielsweise Lasso, Lariat oder Rope. Für das hier beschriebene Lederseil ist der Name Reata am geläufigsten. Abgeleitet wird das Wort vom spanischen „la riata“, was soviel wie „die Schlinge“ bedeutet. Eine weitere Übersetzung bezieht sich auf den ebenfalls spanischen Begriff „reatar“, der sich mit „Aneinanderfügen“ oder „Koppeln“ übersetzen lässt. Gemeint ist damit die Verbindung zwischen zwei Tieren über ein Seil (z. B. Pferd und Kalb bei der Rinderarbeit).
Sprechen Amerikaner von Wurfseilen, wird in der Regel das schlichte Wort „Rope“ (Seil) benutzt. Eher selten hört man auch die Bezeichnung „Lariat“, eine Verballhornung des spanischen la riata. Den bei uns im Sprachgebrauch geläufigen Begriff „Lasso“ (spanisch lazo = Band, Schleife, Schlinge) nimmt man in Übersee nicht in den Mund. Wer das doch tut, wird schnell zum Greenhorn abgestempelt.
Ursprünglich wurde die Reata aus dem Rohleder von Rindern, Pferden oder Büffeln gefertigt. Rohleder wird nicht gegerbt und stammt meist von alten, dünnen Häuten. Um die Tierhäute von Fleischresten zu säubern, legte man sie damals neben einen Ameisenhaufen und überlies die Reinigung den fleißigen Insekten. Anschließend schnitt man das Rohleder spiralartig von außen nach innen in schmale lange Streifen, die durch ziehen und walken über verschiedene Hölzer von Haaren befreit und geschmeidig gemacht wurden.
Die Rohhautstreifen wurden vom „Reatero“, dem traditionellen Rope-Flechter zu Seilen mit bis zu 8 Strängen (Plait) zusammengeflochten. Das Problem war und ist, dass sich dieses Ledergeflecht ohne weitere Behandlung sehr steif und widerspenstig verhält und sich deshalb (noch) kaum zum Roping eignet.
Holzpflock, Rohhautfett und Nylonseil sind die wichtigsten „Zutaten“, die aus einem widerspenstigen Ledergeflecht eine geschmeidige Reata machen.
Einfetten der Reata
Im ausgelieferten Zustand ist eine Reata meist noch „grün“ und zusammengerollt wie eine Spiralfeder – es sieht nicht so aus, als könne man sie jemals verwenden. Denn anders als bei Kunstfaserseilen muss das geflochtene Lederseil ein paar „Vorbehandlungen“ durchlaufen, damit es geschmeidig seine Wurfschlinge (Loop) öffnen kann. Andernfalls sieht man sich dem sogenannten Figur-Acht-Dilemma ausgesetzt, das jeden Anfänger zur Verzweiflung bringt, bei dem Versuch, der verdrehten Schlinge Herr zu werden.
Im ersten Schritt wird die Reata mit im Fachhandel erhältlichem Rohhautfett eingerieben. Dazu hängt man das Lederseil beispielsweise an einen Zaun, sodass es in der Sonne warm werden kann. Alternativ lässt sich das Rope auch auf leichter Stufe mit einem Föhn erwärmen. Das so erwärmte Leder wird nun großzügig eingefettet.
Am besten schmiert man sich die Creme in die Hand und trägt damit das Fett auf das Leder auf. Das fühlt sich zwar ein wenig unangenehm an, funktioniert aber hervorragend. Dann lässt man die Reata weiter in der Sonne hängen, bis das Fett in die „Seele“ des Geflechts eingezogen ist. Bleibt das Fett lediglich an der Oberfläche, wird das Rope im Laufe der Zeit nur schwerer aber nicht geschmeidiger. Das Leder sollte dabei nicht feucht oder nass werden.
Dehnen und Ziehen der Reata
Hat man diesen Vorgang drei bis vier Mal wiederholt und ist das Fett eingezogen, wird die Reata nun gedehnt, gezogen und durchgewalkt. Dazu benutzt man einen stabilen Hartholzpflock (Eiche, Buche etc.), in den man im Abstand von zirka acht bis zehn Zentimetern sechs Löcher bohrt. Der Durchmesser der Löcher muss so groß sein, dass das geknotete Ende der Reata knapp hindurch passt.
Dann bindet man den Holzpflock an einem stabilen Zaun fest und fädelt die Reata durch die Löcher ein. Die Seilenden müssen auf der gleichen Seite herausragen, damit sie von beiden Seiten gezogen werden können. Anfangs zieht man das Lederrope nur durch zwei, dann durch vier und wenn nötig auch durch alle sechs Löcher.
Je mehr Windungen die Reata nun durch den Pflock nehmen muss, desto schwerer lässt sich das Seil durch die Löcher ziehen. Die dabei entstehende Reibung sorgt dafür, dass die Kanten der Lederflechtung am Holzpflock „brechen“ und sich das ganze Seil zusätzlich dehnt. Außerdem erwärmt die dabei entstehende Hitze das ins Leder eingezogenen Fett nochmals und lässt es weiter in das „Herz“ der Reata einziehen.
Nach ungefähr zwanzig Wiederholungen sollte die Reata dann getestet werden. Ist das Rope schon geschmeidig und lässt sich gut werfen, ist der größte Teil der Vorbereitung erledigt. Wenn nicht, geht es zur weiteren Bearbeitung zurück an den Holzpflock.
Zusatznutzen Pferdetraining
Doch einen Haken hat die Sache noch: Spätestens wenn man das Rope durch alle sechs Löcher gefädelt hat, zeigt sich, dass die Zugkraft des Menschen seine Grenzen hat. Dann muss die „eine“ Pferdestärke her, die wir im Stall stehen haben. Das Schöne daran ist, dass wir damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir können unsere Reata weiter bearbeiten und ein eventuell noch nicht lange am Rope ausgebildetes Pferd trainieren, indem wir es an den Umgang mit dem Seil, die damit verbundenen Geräusche und den Zug am anderen Ende der Reata gewöhnen.Dazu ist es ratsam, die ersten Versuche vom Boden aus zu starten. Kommt das Pferd damit zurecht, kann man die Reata vom Sattel aus durch den Holzpflock ziehen. Um das bewerkstelligen zu können, muss man das Lederseil mit einem zweiten Rope verlängern, da sonst die ersten paar Meter der Reata unbearbeitet bleiben würden.
Lässt man das Pferd mit dem, ums Sattelhorn gewickelte Seil im Schritt vorwärtsgehen, ist fehlende Zugkraft kein Thema mehr. Doch aufgepasst: Wird die Reata von hinten nach vorne wieder zurückgezogen, ist Vorsicht geboten. Während das geknotete Ende der Reata problemlos durch die Löcher am Holzpflock hindurchrutschen kann, blockiert die Honda das Seil dort abrupt. Böse Überraschungen können dann die Folge sein.
Schöner Trainingseffekt: Während der Reata-Vorbereitung können sich Pferde an viele Aspekte des Roping gewöhnen (z. B. an die Geräusche des gleitenden Seils und an starken den Zug der Reata).
Pflege der Reata
Ist die Reata auf die zuvor beschriebene Weise korrekt vorbehandelt worden, gilt es, das edle Stück dauerhaft zu pflegen. Die Zeiten des großzügigen Einfettens gehören nun der Vergangenheit an. Ist das Rope schmutzig geworden, lässt man es antrocknen und wischt es dann mit einem trockenen Handtuch ab. Damit es geschmeidig bleibt, sollte es anschließend mit nur wenig Rohhautfett eingerieben werden.
Dann lässt man es gänzlich trocknen und wischt das noch nicht eingezogene Fett ab. Die Reata wird damit versiegelt und vor Insekten geschützt. Außerdem lässt sich damit weitestgehend verhindern, dass feiner Sand in das Geflecht eindringt. Und last but not least verleiht es dem Leder einen schönen Glanz.
Schlechte oder gar keine Pflege führt dazu, dass Ropes aus Rohhaut brechen (reißen) können. An den Bruchstellen kann man dann sehen, dass das Innenleben trocken und nur die äußere Schicht gefettet ist. Das heißt, dass die Reata zwar gefettet aber nur unzureichend gedehnt, gezogen und durchgewalkt wurde.
Zuviel Fett schadet jedoch auch. Dadurch wird die Reata nur schwer, schmutzig und leblos. Und wenn es regnet, sollte man das Rope aus Rohhaut im Trockenen hängen lassen.
Durch die Swivel (drehbare) Honda aus Rohhaut lässt sich die Wurfschlinge beliebig vergrößern und verkleinern.
Reata ist nicht gleich Reata
Es gibt Reatas in verschiedenen Ausführungen für unterschiedliche Anwendungen. Das hängt davon ab, aus wie vielen Strängen (vier, sechs oder mehr) die Reata besteht und davon, wie breit die Stränge sind. Außerdem gibt es in Amerika regional und klimabedingt große Unterschiede, die ausschlaggebend dafür sind, wie eine Reata letztlich beschaffen sein muss. Aufgrund der Feuchtigkeit wird beispielsweise jemand aus Florida große Probleme haben, verwendet er eine Reata, die für das trockene Wüstenklima ausgelegt wurde. Denn diese Ropes sind schwerer, dicker und mit breiteren Strängen geflochten als eine eher filigrane und leichte Reata für trocken-heiße Umgebungsbedingungen. Auch die Hondas sind verschieden, je nach Hersteller und Region.