Vom Boden in den Sattel Teil II
Bodenarbeit ist eine prima Sache, um Pferd und Reiter auf das Training unter und im Sattel vorzubereiten. Es gibt nahezu kein gerittenes Manöver, das sich nicht mehr oder weniger auch vom Boden aus vorbereiten oder durchführen lässt. Gerade bei gymnastizierenden Übungen bieten sich Pferd und Mensch viele Vorteile, wenn man sich den entsprechenden Manövern „zu Fuß“ annähert: Die Körpersprache zwischen den Beteiligten wirkt besser, weil beide „Gesprächspartner“ sich sehen können, der Reiter stört das Gleichgewicht des Pferdes nicht und die einzelnen Bewegungsabläufe lassen sich vom Boden aus gut beobachten.
Text: Rolf Schönswetter / Fotos: Gerhard Bauer-Schmitz
Das Titelbild zeigt anschaulich, wie sich die Bewegungsmuster am Boden und unter dem Sattel gleichen: Blick des Pferdes gegen die Bewegungsrichtung, Blick des Menschen in Bewegungsrichtung, synchrones kreuzen der Beine, die Schulter von Pferd und Mensch führt. Im Teil 1 des Beitrages betrachteten wir die Lateralkontrolle und Volten in Einwärtsstellung. Im zweiten Teil widmen wir uns dem Schenkelweichen und Rückwärts.
Wohl gemerkt, auch in diesem zweiten Teil geht es immer noch um die Basisarbeit bei der Gymnastizierung und damit auch um die Gesunderhaltung von Pferden. Denn alle hier beschrieben Grundübungen sind die Voraussetzung für weiterführende Manöver. Denn nur auf einem soliden Fundament, wird alles, was man darauf aufbaut, auch halten. Und wer baut schon ein Haus vom Giebel abwärts!
Eine solche Vorübung ist das Schenkelweichen, mit dem sich unsere Pferde an seitwärts gerichtete Hilfen gewöhnen lassen. Schenkelweichen gehört zwar nicht zu den Seitengängen, da hierbei unser Pferd nur im Genick gestellt und nicht über die gesamte Wirbelsäule gebogen ist. Dennoch ist es ein wichtiges vorbereitendes Manöver für Seitengänge wie beispielsweise Schulterherein und Travers.
Ein nachgiebiges Rückwärts hilft beispielsweise, unser Pferd bei leichter Vorhand auf die Hinterhand zu setzen und eine verstärkte Hankenbeugung zu trainieren (mit Hanken werden die großen Gelenke der Hinterhand bezeichnet: Hüft-, Knie- und Sprunggelenk). Eine hervorragende Übung ist dabei das Angaloppieren aus dem Rückwärts heraus – einleuchtend, dass das nur dann Sinn macht, wenn unser Pferd auch bereitwillig und vor allem in „gesunder Aufrichtung“ den Rückwärtsgang einlegt.
Schenkelweichen auf der Geraden vom Boden aus
Das Schenkelweichen ist eine interessante Übung, die sich gut über die Bodenarbeit unserem Pferd beibringen lässt. Aus dem Schenkelweichen heraus lassen sich viele weiterführende Manöver zu einer Art „Choreografie der Bodenarbeit“ zusammensetzen: der vielfach zitierte Begriff „Dance with your horse“ bekommt … doch schweifen wir nicht ab.
Um unserem Pferd das korrekte Schenkelweichen nahezubringen, sind einige Vorübungen nötig. Dass unser Pferd uns vertraut und uns schon als Anführer anerkannt hat, ist wohl eine der wichtigsten Voraussetzung für ein gutes Gelingen. Ruhiges Stehenbleiben neben dem Menschen und synchrones Führen und Folgen sind ein Muss, um überhaupt in die Materie einsteigen zu können. In den beiden nachfolgenden Trainingstipps haben wir schon ausführlich darüber berichtet:
Vorübung Senden
Nun – zunächst müssen wir unserem Vierbeiner beibringen, sich auf Distanz von uns senden zu lassen. Am besten lässt sich das an der Bande schulen. Dazu steht unser Pferd linkerhand am ersten Hufschlag an der Bande, wir stehen auf Höhe der Sattellage, unserem Pferd zugewendet, etwa eineinhalb bis zweiMeter entfernt. Das lose Führseil halten wir in der linken Hand, der Stick in der rechten liegt locker auf dem Pferdehals. Das ist unsere Ausgangsposition. Womit sich auch erklärt, warum es so wichtig ist, dass unser Vierbeiner gelernt hat, ruhig in unserer Nähe stehen zu bleiben.
Im Gegensatz zum Führen und Folgen, wo wir direkt am Pferd stehen, ist nun unser Ziel, unser Pferd auf Distanz schräg vor uns in die Gangart Schritt zu senden. Wir zeigen unserem Pferd also mit der Linken die Richtung an und drehen uns parallel bei, wenn es losmarschiert. Zwei Dinge sind dabei wichtig: wir bleiben in der treibenden Position leicht hinter der Pferdeschulter (Sattellage) und sorgen mit unserer rechten Schulter (primäre Hilfe) bzw. dem Stick (sekundäre Hilfe) dafür, dass unser Pferd nicht nach innen drängt.
Funktioniert das an der Bande, wird es Zeit, das Senden unseres Pferdes im gesamten Übungsareal zu trainieren. Dabei lernt unser Vierbeiner, den „eingestellten“ Abstand zum Menschen zu „halten“ und nicht die Distanz zu vergrößern oder zu verkleinern. Das mag sich schwierig anhören, ist aber mit der richtigen Vorgehensweise für jedes Pferd gut nachvollziehbar.
Jetzt schulen wir das eigentliche Schenkelweichen. Hat unser Pferd gelernt, den Abstand einzuhalten, wird es den auch beibehalten, wenn wir nun unsererseits langsam gegen die Schulter des Pferdes kreuzen. Korrekt ausgeführt ist die Übung dann, wenn
- der Kopf des Pferdes leicht gegen die Bewegungsrichtung gestellt ist,
- die Schulter führt, das heißt, die Hinterhand leicht schräg versetzt zur Vorhand kreuzt,
- das Pferd sich vorwärts-seitwärts bewegt.
In den beiden Bilder oben ist gut zu erkennen, dass der gleichbleibende Abstand durch die führende Schulter des Menschen dargestellt wird und nicht durch den Stick oder andere sekundäre Hilfsmittel.
Schenkelweichen auf der Geraden vom Sattel aus
Hat unser Pferd und wir auf beiden Seiten das Schenkelweichen gelernt und die Bewegungsabläufe durch viele Wiederholungen gefestigt, ist die Zeit gekommen, in den Sattel zu steigen. Auch hier wird wieder klar, warum es sinnvoll ist, alles vorher am Boden zu trainieren. Denn sowohl unserem Pferd als auch uns sind nun die Bewegungsabläufe bewusst. Und mit „bewusst“ ist gemeint, dass wir nun „wissen“, was das Pferd und dessen Beine unter uns tun und das unser Pferd schneller „versteht“, was wir auf ihm „wollen“!
Schenkelweichen auf der Geraden – „Es geschehen lassen“ ist der Gedanke, den wir uns vor Augen halten sollten. Meist sind wir mit unseren Hilfen zu extrem.
Auch das hat seinen Grund, der im instinktiven Verhalten des Pferdes liegt. Denn der Hals dient dem Pferd quasi als Balancestange um Störungen im Gleichgewicht, beispielsweise in unwegsamem Gelände auszugleichen. Gibt das Pferd die Kontrolle des Halses an den Menschen ab, gibt es damit auch die Kontrolle über sein Gleichgewicht ab. Dazu sind Fluchttiere nicht von vornherein bereit, bedeutet der Verlust des Gleichgewichts doch eine massive Bedrohung für Leib und Leben. Wer das Gleichgewicht verliert, fällt leicht um und wer am Boden liegt, landet schnell mal als Abendessen in Raubtierschlünden.
Natürlich ist auch hier (hoffentlich) klar, das die Basis stimmen muss: Korrekter Sitz, feine Zügelführung und das Reiten über Gewichtshilfen sollten für uns zumindest keine Fremdwörter mehr sein.
Das Erstaunliche dann nämlich ist, dass für die reiterliche Ausführung der Übung nicht mehr viel Aufhebens nötig ist. „Es geschehen lassen“ ist der Gedanke, den wir uns vor Augen halten sollte. Meist sind wir mit unseren Hilfen zu extrem – wir ziehen, drücken, schieben oder sitzen zu viel. Wie man im Bild oben gut sehen kann, ist weniger mehr. Leichte Sitzhilfe in Bewegungsrichtung, minimale Schenkelhilfen und mit „leichtem“ Zügel die Abstellung des Pferdekopfes angefordert, schon weicht unser Vierbeiner nachgiebig in die gewünschte Richtung – wohl gemerkt, weil unser Pferd das komplette Schenkelweichen von der Bodenarbeit her zur Genüge kennt. Das macht den Unterschied!
Schenkelweichen auf der Volte vom Boden aus
Das Schenkelweichen auf der Volte ist eine Übung, die erst dann trainiert werden sollte, wenn es auf der Geraden sitzt. Es fordert viel Disziplin vom Pferd und ist deutlich anstrengender. Denn bei diesem Manöver kreuzt die Vorhand auf einer kleinen Kreislinie, während die Hinterhand eine Volte beschreibt. Das fordert von unserem Pferd viel Balancearbeit sowie Koordinations- und Konzentrationsvermögen für die Beine. Man kann formlich „sehen“, wie unsere Vierbeiner bei diesem Manöver „denken“ müssen.
Beginnt man mit dieser Übung am Boden, schadet es nicht, sich zur Orientierung eine Pylone ins Zentrum der Volte zu stellen. Das hilft uns, uns im Kreis zurechtzufinden, gibt aber auch unserem Pferd einen Anhaltspunkt für das Zentrum der Volte.
Am Rande sei noch erwähnt, dass dieser Beitrag keine Trainingsanleitung für die hier beschriebenen Übungen darstellt. Es geht darum aufzuzeigen, dass die Bodenarbeit in der Tat einen wesentlichen Anteil an gutem Pferde- und Reittraining hat und dass sich die Vorarbeit am Boden für das Training im Sattel allemal lohnt. Deshalb werden hier die Trainingsschritte für die einzelnen Übungen auch nur grob skizziert beschrieben.
Um das Schenkelweichen auf der Volte zu beginnen, stehen wir zunächst auf der linken Seite unseres Pferdes, in der linken Hand das Führseil, in der rechten den Stick. Als erstes fordern wir nun eine leichte laterale (seitliche) Abstellung von Hals und Kopf.
In Teil I des Beitrages wurde schon erklärt, wie die Lateralkontrolle trainiert wird.
Beim Schenkelweichen auf der Volte sollte allerdings eine maximal Abstellung von 45 Grad nicht überschritten werden.
Schenkelweichen auf der Volte um eine Pylone– die Vorhand kreuzt auf einem viel kleineren Kreis, als die Hinterhand.
Im Bild oben kann man sehen, wie die Übung ausgeführt wird. Ziel sollte sein, dass sich unser Pferd in einer leichten Vorwärtsbewegung langsam im Schenkelweichen um die Pylone bewegt. Dabei kann es anfangs noch erforderlich sein, unser Pferd mit leichten Impulsen am Führseil mit dem Kopf in die Kreismitte zu stellen, um zu verhindern, dass die Schulter nach außen wegdriftet.
Ebenso wird es anfangs noch nötig sein, unserem Pferd zu helfen, die Hinterhand auf einem größeren Kreisbogen zu kreuzen. Im Laufe des Trainings wird sich aber, so wie beim Pintoraber Jackson zu sehen, das Schenkelweichen auf der Volte am losen Führseil und rein mit Körpersprache (ohne physischen Kontakt) durchführen lassen. Kann unser Pferd auch diese Übung beidseitig, ist wieder der richtige Zeitpunkt gekommen, um in den Sattel zu steigen.
Auch das Schenkelweichen auf der Volte kann mit wenig sichtbaren Hilfen geritten werden, weil unser Pferd die Bewegungsmuster per Bodenarbeit abgespeichert hat.
Schenkelweichen auf der Volte vom Sattel aus
Im Bild oben ist ebenfalls gut erkennbar, dass das Schenkelweichen mit wenig sichtbaren Hilfen geritten wird. Schließlich hat unser Pferd die Übung über die Bodenarbeit abgespeichert. Das Ziel beim Reiten sollte in allen Situationen so sein, dass unser Vierbeiner nicht mit dem Reitergewicht zu „kämpfen“ hat. Im besten Fall reagiert es auf minimales kontrolliertes Verschieben des Reitergewichtes in Bewegungsrichtung.
Das Bild zeigt auch, dass, wie beim Schenkelweichen auf der Geraden, die Schulter wieder führt, also einen Tick vor der Hinterhand kreuzt. Dadurch bleibt die leichte Vorwärtsbewegung unseres Pferdes bestehen. Im Gegensatz dazu, ist der Fokus (Blickrichtung) von Mensch und Pferd nicht zur Seite sondern auf die Voltenmitte (Pylone) gerichtet. Am Hallenboden lassen sich die beiden unterschiedlichen Kreislinien der Vor- und Hinterhand erahnen.
Rückwärts am Boden über Impulse
Mit Rückwärts und dem Pferd ist das so eine Sache: Sehr oft haben unsere vierbeinigen Freunde so gar keine Lust auf dieses Manöver und widersetzen sich diesem gerne. Darin sind Pferde oft so gut, dass wir schnell mal die Lust auf ein williges und nachgiebiges Rückwärts verlieren und uns dann eben anderen, vermeintlich einfacheren Dingen widmen.
Nun, die Ursachen, warum Pferde sich der Übung gerne verweigern, sind vielschichtig: Zum einen liegt das daran, dass Pferde im „richtigen“ Rückwärtsgang den Rücken aufwölben und gleichzeitig mit der Hinterhand vermehrt untertreten müssen. Das ist anstrengend. Im Sattel kommt noch das Reitergewicht hinzu, womit es für den Energiesparer Pferd noch anstrengender wird.
Zum anderen werden Pferde häufig zu Korrekturzwecken rückwärts gerichtet, quasi als Bestrafung für ein unerwünschtes Verhalten. Einem Pferd dann den Unterschied zwischen „Korrektur-Rückwärts“ und „normaler“ Übung klar zu machen, dürfte in den meisten Fällen schwierig sein.
Hinzu kommt noch, dass das Rückwärtsgehen in der Natur der Pferde ein Zeichen für Rückzug und Unterwerfung ist – was gerade für dominante Pferde eine schwer zu akzeptierende Tatsache sein dürfte.
Wollen wir also unserem Pferd das Rückwärts schmackhaft machen, sollten wir dieses Manöver niemals zur Korrektur oder (schlimmer noch) als Bestrafung einsetzen. Und – wir sollten unbedingt vom Boden aus anfangen, da wir hier viel mehr Möglichkeiten haben, die einzelnen Bewegungsmuster zu beobachten und gegebenenfalls zu korrigieren.
Rückwärts mit physischem Druck am Knotenhalfter – das gibt uns die Möglichkeit, die Haltung des Pferdes gut zu kontrollieren: Genick höchster Punkt, Kruppe leicht abgesenkt, Hinterhand setzt unter = Rücken hebt sich.
Im ersten Stepp beginnen wir mit dem Rückwärts aus einem physischen Druck heraus. Wir stehen wieder links vom Pferd, die linke Hand liegt leicht am Knotenhalfter (direkt an der Verbindung zwischen Halfter und Führseil), die rechte hält den Stick. Um unser Pferd nicht zu überfordern, gehen wir mit „kleinen“ Schritten vor. Das heißt, wir geben leichte Impulse mit der linken Hand an das Knotenhalfter Richtung Pferdehals. Sobald unser Pferd nur nach hinten „denkt“ (minimales Nachgeben, muss noch keine Beinbewegung sein), hören wir mit den Impulsen auf und loben unser Pferd.
Durch diese Vorgehensweise lernt unser Vierbeiner mittels der verstärkenden Wirkung des Lobes, dass Nachgiebigkeit einen positiven Nutzen hat. In Folge wird unser Pferd Schritt für Schritt seine Nachgiebigkeit erhöhen. Dabei achten wir von Beginn an darauf, dass Hals und Kopf in einer relativ hohen Aufrichtung stehen und die Pferdenase niemals hinter die Senkrechte fällt (siehe Bild oben).
Ein zu tief und hinter die Senkrechte gestellter Kopf (Hyperflexion), verkürzt das Nacken-Rücken-Band des Pferdes dermaßen, dass die Hinterhand niemals ordentlich untertreten kann. Außerdem ist eine solche Kopfstellung biomechanisch höchst ungesund und gehört deshalb in den ohnehin gut gefüllten Mülleimer für schädliches Training. Im Bild ist ebenfalls gut zu sehen, dass das Genick des Pferdes höchster Punkt ist, sich die Kruppe leicht nach hinten senkt und die Hinterhand beginnt unterzusetzen.
Selbstredend, dass wir, wie alle Bodenarbeitsübungen, auch diese auf beiden Seiten trainieren sollten.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass das Rückwärts nicht im Schritt (Viertakt) sondern im „diagonalen Zweitakt“ stattfindet, quasi so, als würde unser Pferd vorwärts traben. Das heißt, die diagonalen Beinpaare bewegen sich gleichzeitig, jedoch ohne Schwebephase.
Wer es ganz genau nehmen will, achtet noch darauf, dass sich die Hinterhand einen Bruchteil eher als die Vorhand bewegt. Für die Wirbelsäule ist dies schonender, da die Hinterhand zieht und nicht die Vorhand schiebt.
Rückwärts am Boden mittels Führen und Folgen
Hat unser Pferd nun die korrekte Körperhaltung gefunden (und kann es diese auch selbstständig halten), beginnen wir mit dem zweiten Schritt, dem Rückwärts „ohne“ physischen Druck am durchhängenden Führseil. Wie in Bild 7 zu sehen ist, stehen wir nun neben unserem Pferd auf Höhe des Halses. Voraussetzung für ein gutes Gelingen der Übung ist auch hier wieder, dass wir im frühen Stadium der Bodenarbeit schon das korrekte Führen und Folgen trainiert haben. Denn hat unser Pferd schon gelernt, sich mit uns zu synchronisieren und unsere Bewegungen zu spiegeln, wird es auch nachgiebig Folgen, wenn wir den Rückwärtsgang einlegen.
Es ist immer wieder schön zu sehen, wie gut sich Pferd und Mensch dann aufeinander einlassen können. Selbstverständlich gelten auch hierbei wieder alle biomechanischen Belange wie bei der Übung zuvor (Aufrichtung, Untersetzen, usw.).
Rückwärts am losen Führseil aus dem Führen und Folgen heraus – synchronisiert sich unser Pferd hierbei mit uns, ist ein williges Rückwärts unter dem Sattel nicht mehr fern.
Rückwärts unter dem Sattel
Haben Pferd und Mensch nun das Rückwärts mit und ohne physischem Druck gut verinnerlicht, ist das gerittene Rückwärts um ein Vielfaches leichter umzusetzen. Denn auch hier zeigt die Erfahrung wieder, dass sich die, durch vielfache Wiederholungen am Boden eingeprägten Bewegungsmuster, nun mit wenig Aufwand abrufen lassen.
Dank Bodenarbeit tritt Jackson am losen Zügel fleißig rückwärts. Im Vergleich zum vorherigen Bild ist Jacksons Körperhaltung nahezu identisch. Man sieht, dass die Hinterhand die Vorhand zieht.
Auch dabei gilt: weniger ist mehr. Wer gut im Zentrum seines Pferdes sitzt, kann mit leichter Gewichtsverschiebung nach hinten sein Pferd gut motivieren, rückwärts zu treten. Wie im Bild zu sehen ist, braucht man dazu weder Sporen noch die Zügel. Außerdem ist im Vergleich zum vorherigen Bild gut erkennbar, dass die Körperhaltung des Pferdes beim Training am Boden und unter dem Sattel nahezu identisch ist.
Dazu noch eine kleine Anmerkung zur Aufrichtung von Hals und Kopf: Ich persönlich bevorzuge ein etwas höhere Aufrichtung, weil das für mich biomechanisch mehr Sinn macht. Denn nur dann bietet das begrenzt dehnbare Nacken-Rücken-Band auch den entsprechenden „Freiraum“, dass sich die Kruppe absenken und die Hinterhand vermehrt untersetzen kann – eine Grundvoraussetzung für gesundes Rückwärts.
Betrachtet man zusätzlich den Winkel zwischen Hals und Unterkiefer, bedeutet eine höhere Halsstellung auch, dass sich die Nase unseres Pferdes noch deutlicher aus der Senkrechten nach vorne verschieben „muss“. Wird dieser Winkel zu klein, weil man trotz höherer Aufrichtung die Pferdenase Richtung Senkrechte zieht, hat das eine zu enge und eventuell schmerzhafte Stellung der Ganaschen (halbrunder hinterer Bereich des Unterkiefers) zur Folge.
Selbstverständlich ist die höhere Aufrichtung nur im Zusammenhang mit einer absenkenden Kruppe und vermehrter Hankenbeugung zu sehen. Denn dann hebt sich auch der Rücken. Ein Pferd, das mit den Hinterbeinen ungelenk nach hinten „stakst“, wird den Rücken nach unten durchdrücken – und das ist bekanntlich alles andere als gesund.
Was war vorher?
Vom Boden aus lernen Pferde schneller (Kommunikation per Körpersprache), der Reiter stört das Pferd nicht in seiner Bewegung (Gleichgewicht) und Fehler in den Bewegungsabläufen sind leichter erkennbar (visuelle Kontrolle). Im Beitrag „Vom Boden in den Sattel Teil I“ zeigeten wir folgende Übungen auf:
- Lateralkontrolle am Boden
- Lateralkontrolle im Sattel
- Volten mit Einwärtsstellung vom Boden
- Volten mit Einwärtsstellung im Sattel
Die Bodenarbeit hat eine jahrelange Tradition. Nicht zuletzt deswegen, weil die erste Kommunikation zwischen Mensch und Pferd nicht beim Reiten entsteht, sondern wenn wir unseren Vierbeinern gegenüber stehen. Drum macht es auch keinen Sinn, zwischen Bodenarbeit und Reiten eine Trennlinie zu ziehen. Pferde beobachten uns, wenn wir in ihrer Nähe sind. Sie registrieren permanent unser Verhalten und schätzen uns dann ein. Bodenarbeit wirkt, sie beruht auf der natürlichen Kommunikationsebene der Pferde – warum also sollten wir sie nicht nutzen, wenn es dem Wohle unserer Pferde und uns dient.